Giovanni Rindler

Jeden Vormittag wird an einem Aktmodell studiert und der akademische Lehrer gestaltet Skulpturen, die nach dem derzeitigen Sprachgebrauch als 'abstrakt' bezeichnet werden. Das Ziel der künstlerischen Formgebung ist weder die Hinwendung zum Naturalismus, noch zum Gegenstandslosen.
Giovanni Rindler, inmitten einer mächtigen Gebirgswelt aufgewachsen und handwerklich gut geschult, ist einerseits eingepflanzt in die Natur, andererseits lernte er bildnerische Mittel, Skulpturelemente kennen, mit denen er das 'Naturerlebnis' formen kann. Als 'Gebirgler' erlebte er Berge und Täler - Höhen und Tiefen - er sah eine plastische Welt. Dieses Grunderlebnis verarbeitete er als ein Bildhauer, der auf die stereometrischen Elemente der Plastik angewiesen wurde. So lassen seine frühen 'abstrakten' Arbeiten die Akzeptanz der skulpturalen Elemente und ihres formschaffenden Einsatzes erkennen. In seinen späteren Werken tritt die Kugel als gespannte Oberfläche, Wölbung klärend und Tiefen schaffend, deutlich hervor.
Giovanni Rindler setzt stereometrische Elemente so ein, dass sie zwischen Körper und Raum eine formale Ausgewogenheit schaffen. Wie sehr die Oberfläche der Kugel und das Verhältnis von Körper und Raum Natureindrücke klären und präzisieren, kommt nicht nur in der Darstellung von Köpfen sondern auch von weiblichen Körpern und einem männlichen Torso, der aus einem Baumstamm herausgearbeitet ist, zum Ausdruck. Allgemein: Die rhythmische Folge von Kugeloberflächen, Tiefen und Durchblicken regeln die von der Natur abgeleitete plastische Struktur.
Rindlers Skulptur führt zur Erkenntnis: Ein Naturalismus, der im Gegenständlichen gipfelt, und eine abstrakte Kunst, die auf Resultaten einer Abstraktion aufgebaut ist, die der Schaffende nicht selbst vollzogen hat, sind unvereinbare Gegensätze. Die aus ihnen entspringenden Aktionen und Reaktionen, in Ismen eingekleidet, würden sich fortsetzen. Dieser unfruchtbare Kreislauf kann nur beendet werden, wenn einander ausschließende Ideologien radikal abgelehnt werden. Rindler schafft Werke, an denen das 'Naturleben' und der Geist gleichermaßen beteiligt sind.

Heimo Kuchling